Europäische Union:
Neue Regeln für den Versicherungssektor
Erste Richtlinie: Änderung der Solvabilität II-Richtlinie
Die erste Richtlinie reformiert die EU-Richtlinie 2009/138/EG (Solvabilität II-Richtlinie) betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit. Hier werden die Grundlagen geregelt und der Rahmen für konkretisierende Bestimmungen festgelegt. Die Änderungsrichtlinie trägt den Titel „Richtlinie (EU) 2025/2 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2024 zur Änderung der Richtlinie 2009/138/EG im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit, die Aufsichtsqualität, die Berichterstattung, langfristige Garantien, makroprudenzielle Instrumente, Nachhaltigkeitsrisiken, die Gruppenaufsicht und die grenzüberschreitende Aufsicht sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG und 2013/34/EU“ (ABl. L, 2025/2).
Prüfungspflicht der Bilanz
Diese Änderungsrichtlinie führt eine Prüfungspflicht für die Bilanz von „nicht kleinen und nicht komplexen“ (Art. 1 Nr. 13 der Änderungs-RL 2025/2, Art. 29a, 29b der RL 2009/138/EG) Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen ein (Art. 1 Nr. 26, 93 der Änderungs-RL 2025/2, Art. 51a, 256c Abs. 4 der RL 2009/138/EG).
Zweite Richtlinie: Sanierung und Abwicklung von Versicherern
Die zweite Richtlinie regelt die Bedingungen für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen – „(Richtlinie (EU) 2025/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2024 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2007/36/EG, 2014/59/EU und (EU) 2017/1132 sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1094/2010, (EU) Nr. 648/2012, (EU) Nr. 806/2014 und (EU) 2017/1129“ (ABl. L, 2025/1).
Verschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfers
Diese Richtlinie sieht in Art. 66 Abs. 1 Verschwiegenheitspflichten für sämtliche Beteiligten vor, darunter auch den Abschlussprüfer (Art. 66 Abs. 1 lit. f). Art. 66 Abs. 2 stellt darüber hinaus sicher, dass der Abschlussprüfer ihm von der Aufsichts- oder Abwicklungsbehörde übermittelte vertrauliche Informationen nicht an andere Personen oder Behörden weitergibt. Ausnahmen davon sind etwa dann vorgesehen,
- wenn die Offenlegung in Ausübung der jeweiligen Tätigkeiten nach dieser Richtlinie erfolgt (Abs. 2 Unterabs. 1 a)
- oder in zusammengefasster/ kollektiver Form geschieht, die einzelne Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen nicht erkennen lassen (Abs. 2 Unterabs. 1 b)
- oder wenn die Behörde beziehungsweise das Unternehmen vorher zugestimmt haben (Abs. 2 Unterabs. 1 c).
Für Verstöße sollen die Mitgliedstaaten zivilrechtliche Haftungsregelungen vorsehen (Abs. 2 Unterabs. 4).
Nach dem Verständnis der WPK sind die Regelungen als Spezialregelungen zu Art. 23 der EU-Abschlussprüferrichtlinie (Verschwiegenheitspflicht und Berufsgeheimnis) sowie Art. 7 und 12 der EU-Abschlussprüferverordnung (Meldepflichten an Behörden) zu verstehen. Sie sollen die Kommunikation zwischen den in die Beaufsichtigung der Versicherungsbranche eingebundenen Behörden, Ministerien, anderen Stellen aus nationaler wie EU-Ebene als auch dem Abschlussprüfer sicherstellen (so auch Art. 66 Abs. 4).
Der Abschlussprüfer ist zwar bereits nach den Art. 7 und 12 der AP-VO dazu verpflichtet, über Unregelmäßigkeiten und weitere bestimmte Sachverhalte zu berichten. Nach dem Verständnis der WPK soll die Kommunikation nach den vorgesehenen Änderungen der Solvabilität II-Richtlinie soll wohl aber weitgehender sein, etwa die Berichterstattung über allgemeine Branchenrisiken.