Ist eine Maximierung des Versicherungsschutzes zu empfehlen?
Unmaximierter Versicherungsschutz als gesetzlicher Grundfall
Die Berufshaftpflichtversicherung soll Mandanten, gegebenenfalls Dritte und Berufsangehörige im Schadensfall vor existenziellen Bedrohungen schützen. Daher muss Versicherungsschutz „für jede einzelne während der Geltung des Versicherungsvertrages begangene Pflichtverletzung“ (§ 54 Abs. 2 Satz 1 WPO) beziehungsweise „für jeden Versicherungsfall“ (§ 44b Abs. 4 WPO) zur Verfügung stehen (sogenannter unmaximierter Versicherungsschutz). Unter diesen Voraussetzungen können sich Mandanten, gegebenenfalls Dritte und Berufsangehörige in jedem Schadensfall auf Deckung zumindest bis zur Mindestversicherungssumme von 1 Mio. Euro verlassen.
Maximierter Versicherungsschutz durch FISG ermöglicht
Die Versicherer haben im Gesetzgebungsverfahren zum Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) vorgetragen, unmaximierter Versicherungsschutz würde bei steigenden Haftsummen zu gravierenden Problemen bezüglich der Kalkulierbarkeit des Risikos und des Versicherungsbeitrags, der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Liquidität und der Absicherung des Risikos auf dem Rückversicherungsmarkt führen. Zur Lösung ihrer Probleme haben die Versicherer die Einführung der aus dem Berufsrecht der Steuerberater und Rechtsanwälte bekannten Jahreshöchstleistung vorgeschlagen.
Der Gesetzgeber ist dem Vorschlag der Versicherer gefolgt und hat mit dem FISG in § 54 Abs. 4 Satz 2 und 3 WPO die Möglichkeit eröffnet, die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Versicherungsjahres verursachten Schäden
- bei Berufsangehörigen auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme zu begrenzen,
- bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf den Betrag der Mindestversicherungssumme, vervielfacht mit der Zahl der Gesellschafter, der Partner und der Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind, zu begrenzen, wobei sich die Jahreshöchstleistung jedoch mindestens auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme belaufen muss
(sogenannter maximierter Versicherungsschutz). Ist die Jahreshöchstleistung ausgeschöpft, bietet maximierter Versicherungsschutz darüber hinaus also keinen Versicherungsschutz.
Die Forderung der WPK, von der Möglichkeit der Maximierung abzusehen, weil sie Geschädigte, die wegen einer Maximierung im Schadensfall keine Deckung mehr erlangen, willkürlich benachteiligt und es keine Geschädigten erster Klasse (mit gesicherter Deckung) und zweiter Klasse (ohne gesicherte Deckung) geben dürfe, blieb im Gesetzgebungsverfahren leider ungehört.
Vereinbarung von maximiertem Versicherungsschutz gut abwägen
Wegen des gegebenenfalls eingeschränkten Versicherungsschutzes kann die Vereinbarung einer Jahreshöchstleistung die Möglichkeit einer moderaten Prämienreduzierung bieten. Zugleich ist mit einer Maximierung des Versicherungsschutzes aber immer die Gefahr einer Haftung ohne Deckung verbunden, wenn die vereinbarte Jahreshöchstleistung ausgeschöpft ist. Jede Praxis sollte mit Blick auf ihr jeweiliges Risiko daher gut abwägen, ob eine moderate Prämienreduzierung das Risiko ungedeckter Haftung wert ist.