Jahresabschlussprüfung bei Erstellung des Vorjahresabschlusses
Ein Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer ist von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wenn er über die Prüfungstätigkeit hinaus bei der zu prüfenden Gesellschaft in dem zu prüfenden Geschäftsjahr bei der Führung der Bücher oder der Aufstellung des zu prüfenden Jahresabschlusses mitgewirkt hat (absoluter Ausschlussgrund nach § 319 Abs. 3 Nr. 3a HGB, gegebenenfalls in Verbindung mit Abs. 4).
Die Mitwirkung bei der Aufstellung des Vorjahresabschlusses ist von dieser Vorschrift grundsätzlich nicht betroffen. In der Literatur wird aber die – von uns geteilte – Auffassung vertreten, dass hier im Einzelfall untersucht werden muss, ob die Besorgnis der Befangenheit nach § 319 Abs. 2 HGB begründet ist (vgl. Beck'scher Bilanzkommentar, 11. Auflage, § 319 HGB, Rn. 54).
Die (vom WP/vBP erstellten) Eröffnungsbilanzwerte sind Gegenstand jeder Jahresabschlussprüfung. Bei Erstprüfungen bilden sie zudem einen Prüfungsschwerpunkt (IDW PS 205, Tz. 15). Somit besteht grundsätzlich ein Selbstprüfungsrisiko.
Bei Gefährdungstatbeständen nach § 319 Abs. 2 HGB können allerdings Schutzmaßnahmen greifen, um die Besorgnis der Befangenheit auf ein akzeptables Niveau reduzieren (§ 30 BS WP/vBP). In der Literatur wird die (freiwillige) Prüfung des Vorjahresabschlusses durch einen anderen Abschlussprüfer als Beispiel für eine hinreichende Schutzmaßnahme gesehen, die es dem erstellenden Prüfer ermöglicht, den Folgeabschluss zu prüfen (Henning/Precht, in: Hensel/Ulrich, WPO, 3. Aufl., § 49 Rn. 93).
Im Ergebnis muss somit entweder auf das Jahr der Erstellung ein Jahr des „Cooling-off“ folgen, oder es müssen angemessene Schutzmaßnahmen getroffen werden, damit derselbe WP/vBP die Abschlussprüfung bereits im Folgejahr durchführen kann.