Mitglieder fragen – WPK antwortet:
Qualitätskontrolle und Risikobewertung nach § 55b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WPO
Die Pflicht zur Risikobewertung besteht nach deutschem Recht für jede Praxis bereits seit Inkrafttreten des APAReG am 17. Juni 2016 in § 55b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WPO. Dabei geht es um eine Bewertung der Qualitätsrisiken Ihrer Praxis und die daraus abgeleiteten Regelungen und Maßnahmen.
Qualitätsziele definieren / Qualitätsrisiken identifizieren und bewerten
Hierzu müssen Sie in Ihrer Praxis einen Prozess implementieren, in dem Sie Ihre Qualitätsziele definieren sowie Qualitätsrisiken für Ihre gesamte Praxis identifizieren und bewerten, die die Erfüllung Ihrer Qualitätsziele gefährden können. Oberstes Qualitätsziel wird eine den gesetzlichen Vorschriften und fachlichen Regeln entsprechende Abwicklung gesetzlicher Abschlussprüfungen sein. Zur Erreichung dieses Qualitätsziels werden in der Regel (Teil-)Qualitätsziele festzulegen sein. Qualitätsrisiken bestehen auf der Praxisebene (zum Beispiel Verstoß gegen das Selbstprüfungsverbot aufgrund gleichzeitiger StB- und WP-Tätigkeit) und der Auftragsebene. Sie werden daher sowohl durch die Praxisstruktur als auch durch die Auftragsstruktur geprägt.
Im Rahmen der Risikosteuerung sind dann konkrete Regelungen zu schaffen, die diese Qualitätsrisiken mittels Maßnahmen reduzieren oder beseitigen. Die Regelungsbereiche umfassen die Praxisorganisation, die Auftragsabwicklung sowie die Nachschau und somit das gesamte Qualitätssicherungssystem.
Qualitätssicherungssystem als kontinuierlicher iterativer Prozess
Als wesentlicher Bestandteil des Qualitätsmanagements hat die Risikobewertung regelmäßig und auch anlassbezogen zu erfolgen. Negative Feststellungen der Nachschau, der Qualitätskontrolle sowie aus Beschwerden und Vorwürfen geben regelmäßig Anlass zur Überprüfung der Risikobewertung und erfordern gegebenenfalls Anpassungen des Qualitätssicherungssystems. Ein Qualitätssicherungssystem stellt damit einen kontinuierlichen iterativen Prozess dar, das sich an die Art und Umstände der Praxis und ihrer Mandate im Zeitablauf anpasst.
Risikobewertung dokumentieren
Die Risikobewertung ist in jedem Fall nachvollziehbar zu dokumentieren. Dies kann zum Beispiel in Form einer tabellarischen Darstellung und losgelöst von Ihrem Qualitätssicherungshandbuch erfolgen.
Für den Prüfer für Qualitätskontrolle ist die Risikobewertung ein erster wichtiger Anhaltspunkt, um einen Eindruck von Ihrem Qualitätsbewusstsein (Tone at the Top) zu erlangen und das Qualitätsrisiko Ihrer Praxis einordnen zu können. Sie stellt somit eine wesentliche Grundlage für die Planung der Qualitätskontrolle dar. Sie sollten dem Prüfer für Qualitätskontrolle die Risikobewertung Ihrer Praxis daher zu Beginn Ihrer Qualitätskontrolle vorlegen und Ihre Qualitätsziele, Qualitätsrisken und Ihre Reaktionen (geschaffene Regelungen und Maßnahmen) zur Begegnung der beurteilten Risiken erläutern. Bestenfalls enthält Ihre Risikobewertung nicht nur eine Darstellung der risikobehafteten Teilbereiche, sondern auch eine Bewertung aller übrigen durch die WPO und Berufssatzung vorgesehenen Regelungen.
Der Prüfer für Qualitätskontrolle kann Ihre tabellarische Risikobewertung bei entsprechender Detaillierung auch in seinen Qualitätskontrollbericht als Anlage aufnehmen. Sofern das Qualitätssicherungssystem in Ihrer Risikobewertung ausreichend dargestellt ist, kann eine weitere Beschreibung der Regelungen im Qualitätskontrollbericht dann entfallen.
Risikobewertung mit Qualitätsmanagement-Gedanken (ISQM 1)
Mit Blick auf den bis zum 15. Dezember 2023 umzusetzenden ISQM 1 ist festzustellen, dass der Risikobewertung nach § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WPO bereits heute der Gedanke eines Qualitätsmanagementsystems zugrunde liegt. Mit dem neugefassten ISQM 1 werden die Zusammenhänge zwischen einer ordnungsmäßigen Organisation einer WP/vBP-Praxis durch Unterhaltung eines Qualitätsmanagementsystems und einer ordnungsmäßigen Auftragsdurchführung klargestellt. Auch im Mittelpunkt des Qualitätsmanagements nach ISQM 1 steht der Qualitätsregelkreis, in dem negative Feststellungen der Nachschau, externer Inspektionen (einschließlich der Qualitätskontrolle) sowie aus Beschwerden und Vorwürfen zu Anpassungen und zur Weiterentwicklung des Qualitätssicherungssystems führen.